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Bankier Leopold Edler von Lämel
Bankier Leopold Edler von Lämel, Schwiegersohn des Aron Elias Seligmann aus Leimen, verehrte Goethe
Aus der Ehe des Aron Elias Seligmann mit Hintele Levi, Tochter des Fürstlich Hohenzollerschen Hoffaktors, gingen zehn Kinder hervor, fünf Söhne und fünf Töchter. 1799 erhielt er in der Kurpfalz das Bürgerrecht. In der Urkunde vom 28. Juni 1799 heißt es:
„Von Gottes Gnaden Maximilian Joseph. - Die ausgezeichneten Verdienste, welche Unser Hofagent Aron Elias Seeligmann durch mehrere Jahre sich um Uns und Unsere Rheinpfälzischen Staaten erworben, sowie dessen biedere und patriotische, in so vielen Gelegenheiten erprobte Gesinnungen, wodurch er Unserer Rheinpfalz beträchtlichen Nutzen verschaffet, haben Uns bewogen .... demselben und dessen sämtliche Kinder sowohl Söhne als Tochtermänner das vollkommene Bürgerrecht nebst der Befugnis zu erteilen, daß sie in Kurpfalz allenthalben sich niederzulassen, liegende Güter an sich zu bringen und überhaupt alle Gewerbe, die sonst ein christlicher Untertan nur zu unternehmen befähiget, nach ihrem gutfinden ebenfalls zu treiben befugt und ermächtigt sein sollen...“.
Die Verleihung des Bürgerrechts durch den Kurfürsten Maximilian Joseph war die Einleitung zu seiner Übersiedlung nach München; denn der Kurfürst kannte den Kurpfälzischen Hoffaktor Seligmann schon zu Carl Theodors Zeiten. Auch ihm lieh er Geld und er war bei den Spielrunden im Rohrbacher Schlößchen oft im Vorzimmer anwesend, um dem oftmals mittellosen Herzog Max Joseph von Zweibrücken mit Geld auszuhelfen. Nach dem Tode von Carl Theodor drängte Max Joseph als neu ernannter Kurfürst Aron Elias Seligmann, 1799 seinen ständigen Wohnsitz von Leimen nach München zu verlegen. Seligmann wurde in München immer stärker in das desolate Finanzsystem des Bayrischen Staates und des Hofes eingebunden. So hatte er u.a. die Besoldung des diplomatischen Dienstes zu besorgen und übernahm die Verpflegung für die Bayrischen Truppen. Sein Unternehmen und Bankhaus errichtete er in der Theatiner Straße 16 in München. Auf Grund seiner finanziellen Förderung des Bayrischen Staates wurde er mit seinen Kindern am 22. September 1814 in den Bayrischen Freiherrenstand erhoben. Er erhielt das Wappen derer von Thalmann, einer ausgestorbenen Augsburger Adelslinie.
Als Hoffaktor und Baron von Eichthal bemühte er sich, seine Kinder standesgemäß mit Nachkommen reicher Hoffaktoren zu verheiraten. So heiratete Rachel, seine jüngste Tochter, geboren am 1.September 1790 in Leimen, den Leopold Edler von Lämel. Er war der Sohn des wohlhabenden Simon Lämel (1766 - 1845), der 1787 in Prag ein Großhandels- und Bankhaus gründete. Der Handelsmann Simon Lämel betrieb eine Tuchmanufaktur, förderte in Böhmen die Schafzucht und die Schafwollindustrie. Durch geschickte Transaktionen während der französischen Invasion in den Jahren 1801, 1805 und 1809 kam er als österreichischer und preußischer Heereslieferant zu großem Vermögen. Auf Grund seiner Verdienste um den österreichischen Staat erhob ihn Kaiser Franz I. in den erblichen Adelsstand und Fürst Schwarzenberg ernannte ihn zum Armeekommissär. Sein Sohn Leopold wurde 1788 in Prag geboren. Schon früh band der Vater seinen Sohn in die Geschäfte ein. Als Mitbegründer der Prager Sparkasse im Jahre 1825 wurde er dessen Direktor. 1841 errichtete Leopold in Prag eine der ersten industriell betriebenen Kammgarnspinnereien. Er war Mitglied der Elb-Schifffahrt- und der Tetschner Kettenbrücken-Gesellschaft. Nach dem Tod seines Vaters im Jahre 1845 führte er die Lämelschen Unternehmen weiter. Große Verdienste erwarb er sich 1848 beim Prager Pfingstaufstand. Mit anderen Bürgern erreichte er vom Fürsten Windischgrätz die Einstellung militärischer Maßnahmen. Als 1849 die österreichischen Bankhäuser zu einer neuen Staatsanleihe nicht zu bewegen waren, machte er dem Staat als einziger Patriot das Angebot, sich zu beteiligen und für die Staatsanleihe Sorge zu tragen. Am 17. April 1856 wurde er wegen seiner Verdienste mit dem Ordern der eisernen Krone ausgezeichnet und in den Ritterstand erhoben; danach durfte er sich Leopold Reichsritter und Edler von Lämel nennen. 1861 wurde er Landtagsabgeordneter und von 1850 bis 1856 war er Mitglied der Böhmischen Handelskammer. Leopold von Lämel erwarb sich große Anerkennung in seiner jüdischen Gemeinde zu Prag. Ihm ist die Erhaltung des alten jüdischen Friedhofs zu verdanken und für verarmte Mitbürger errichtete er Stiftungen. 1846 bewirkte er die Auflassung der Judensteuer in Böhmen.
Badereisen nach Franzensbad, Teplitz, Marienbad und Karlsbad waren um die Jahrhundertwende groß in Mode gekommen. Während in fast allen europäischen Ländern Napoleon mit seinen Truppen für Unruhe sorgte, war in den böhmischen Bädern die Welt noch in Ordnung. So zog es auch Goethe 1812, als Napolen den Rußlandfeldzug begann, wieder nach Karlsbad, wo er am 22. August 1812 Leopold von Lämel begegnete. Goethe bekannte gegenüber Leopold:
„Der Eindruck, den ich in früher Jugend in meiner Vaterstadt empfing, war mir ein mehr erschreckender. Die Gestalten der engen und finsteren Judenstadt waren mir gar sehr befremdliche und unverständliche Erscheinungen, die meine Phantasie beschäftigten, und ich konnte gar nicht begreifen, wie dieses Volk das merkwürdigste Buch der Welt aus sich heraus geschrieben hat. Was sich allerdings in meiner früheren Jugend als Abscheu gegen die Juden immer regte, war mehr Scheu vor dem Rätselhaften, vor dem Unschönen. Meine Verachtung ..... war mehr der Reflex der mich umgebenden christlichen Männer und Frauen. Erst später, als ich viele geistbegabte, feinfühlige Männer dieses Stammes kennen lernte, gesellte sich Achtung zu meiner Bewunderung, die ich für das bibelschöpferische Volk hege ....“
In Goethes Tagebuch ist unter dem Datum 6.5.1812 verzeichnet: „Brief an Banquier Lämmel in Prag. Ich wünschte zu erfahren, wie hoch der Eimer sowohl von Ofener als von Melnicker, wie sie zu Tischweinen gebräuchlich sind, in Prag kosten. - Am 9ten Mai Früh am Brunnen. Mit dem Postmeister wegen des wohlfeileren Ofener Weins. - Am IIten Mai Angeschaffte zweyte Kiste Wein. - Am 27ten Mai Abermals eine Kiste von 40 Bouteillen gekommen.“
Der Brief war an den Chef des Prager Bankhauses, Simon Edler von Lämel, den er bereits 1811 in Karlsbad kennen gelernt hatte, adressiert. Leopold von Lämel übersandte daraufhin in Abwesenheit seines Vaters am 12. Mai 1812 zwölf Flaschen Melnicker und sechs Flaschen Oedenburger Wein. Goethe antwortet darauf persönlich in einem Brief vom 19. Mai 1812: „...Die mir zugedachten Weine, für die ich mich als einen dankbaren Schuldner bekenne, sind heute glücklich angelangt und sollen nicht anders, als auf Ihre Gesundheit, womit Sie mich in Böhmen empfangen, fröhlich genossen werden. Möchten mir es doch Zeit und Umstände erlauben vor Ihnen und vor den werthen Ihrigen in der Hauptstadt (also Prag) selbst dankbar zu erscheinen.“
Aus dem Briefwechsel zwischen Goethe und Leopold von Lämel können wir entnehmen, dass der Dichter seinen Geldwechsel mit Hilfe von so genannten Einlösungsscheinen ausschließlich mit dem Bankhaus Lämel ausführte. Am 10. Juni 1812 schreibt er aus Karlsbad an Leopold von Lämel: „Vor Ew. Hochwohlgeb. möchte ich nicht immer mit ganz leeren Händen erscheinen, deswegen wünsche ich, daß Dieselben die beykommenden Hefte freundlich aufnehmen und zu meinem Andenken verwahren möchten.“ Der berühmte Dichter bedankte sich bei Leopold von Lämel für das Gastgeschenk und mit den „beikommenden Heften“ sind laut Tagebuch vom 18. Juni 1812 die Wahlverwandtschaften gemeint. Im Juli wurden 696 Gulden Wiener Währung durch einen Vertreter an Goethe übergeben. Im Brief vom 12. Juli 1812 erwähnt er das erhaltene Geld und endet mit Wünschen an das junge Ehepaar Leopold und seine Frau Rachel geborene Seligmann: „Der ich, unter den aufrichtigsten Wünschen für das junge Ehepaar und den besten Empfehlungen an Ihre verehrten Eltern, die Ehre habe mich zu unterzeichnen.“
Goethe reiste nach 19 Wochen langem Aufenthalt zurück nach Weimar. Der Autographensammler Bankier Leopold von Lämel schickte dem von ihm hoch verehrten Dichter Melnicker Wein, um an eine weitere Unterschrift zu kommen. Er erbat sich von Goethe eine Quittung und schrieb: „Erlauben, Exzellenz, daß ich Ihnen zur Erinnerung an Böhmen einen echten Melnicker Wein nach Weimar schicke, den Exzellenz die Güte haben werden, mittelst Quittung als Empfang zu bestätigen!“ Wir vermuten, dass der Schwiegersohn des Aron Elias Seligmann nicht nur den Werther, den Briefroman aus Goethes Sturm- und Drangzeit, gelesen hatte, sondern vor allem Faust Teil I, der 1808 bei Cotta erschien, das dichterische Weltbild seiner Zeit und ein Werk einer neuen Lebensanschauung. Auch seine Frau Rachel, dürfte sich als bildungsbeflissene und belesene Frau mit Goethes Werken beschäftigt haben. Mit der Erhebung ihres Vaters in den Freiherrenstand änderte Rachel ihren Vornamen; sie nannte sich danach Julie Sophia geborene Freiherrin von Eichthal. Aus der Ehe gingen vier Töchter hervor. Eine Tochter verstarb früh; Tochter Auguste heiratete Leopold Javal, Mitglied der gesetzgebenden Versammlung in Paris, Marie ehelichte den bekannten österreichischen Physiologen Dr. Johann Czermak und Julie verband sich mit dem Bankier Ludwig Ladenburg. Der Familienzweig des Prager Schwiegersohns von Aron Elias Freiherr von Eichthal ist heute allerdings ausgestorben.
R. Dorsch