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1.500 Jahre altes Merowingergrab in Leimen gefunden
Das Leimen erstmals im Jahre 791 im berühmten Lorscher Codex urkundlich erwähnt wurde, ist allgemein bekannt. Vielen Mitbürgerinnen und Mitbürgern ist sicher auch noch der große Festumzug anlässlich der 1200 Jahr-Feier Leimens im Gedächtnis. Dass aber bereits vorher Menschen die Vorzüge unserer Gegend erkannt und hier gelebt haben, ist vielen nicht bewusst. Die heutige Kurpfalz war jedoch zu allen Zeiten bewohnt, es gibt auch in Leimen Funde aus römischer Zeit, auch in den sogenannten „dunklen Jahrhunderten“ zwischen dem 3. und 8. Jahrhundert, wo kaum schriftliche Zeugnisse vorhanden und Archäologen somit weitgehend auf Ausgrabungen angewiesen sind.
Und hier taucht nun plötzlich eine junge Frau zwischen 16 und 18 Jahren auf, etwa 1,65 groß, die zu Beginn des 6. Jahrhunderts hier lebte und auch hier begraben wurde. Am 20.10.2006 wurde bei der unterirdischen Verlegung von Stromkabeln in Leimen-Mitte ein menschlicher Schädel entdeckt. Darauf hin wurde von den Besitzern des Anwesens das Ordnungsamt informiert, das den Diplom-Geologen und ehrenamtlichen Bodendenkmalpfleger Dr. Ludwig Hildebrandt aus Wiesloch einschaltete, der zusammen mit Herrn Pfarrer Volker Reinhard aus St. Ilgen die weiteren Arbeiten an der sofort als Grabstätte identifizierten Grube übernahm. Bereits beim Durchsuchen des losen Erdmaterials konnte dabei diverse merowingische Glasperlen und als erste Sensation eine völlig intakte, silberne, vergoldete, rosettenförmige Scheibenfibel mit sogenannten Almadineinlagen in Cloisonée-Technik geborgen werden, die eine Datierung des Grabes in etwa in die Mitte des 6. Jh. und damit die sehr hohe archäologische Bedeutung belegte.

Bei den weiteren Grabungsarbeiten zeigte sich dann ein immer deutlicher werdendes Bild. Für die Öffentlichkeit am interessantesten sind natürlich die Funde, die sowohl in kunsthistorischer als auch archäologischer Hinsicht eine Sensation darstellen, auch wenn sie nicht alle aus Gold oder Silber waren. Im Brustbereich der jungen Frau fand sich eine weitere vergoldete Silberfibel mit Edelsteinen, fast baugleich zur ersten und sicherlich aus der gleichen Goldschmiedewerkstatt stammend. Neben einer sehr großen Anzahl unterschiedlichster Perlen und Trachten wurden damals auch mit Almandinen (eine Variante des Granats) verzierte Scheibenfibeln als Gewandnadeln getragen. Neben goldenen Schmuckplättchen trugen die Frauen aus reichen Familien zu ihrer Bestattung auch eine Vielzahl von Glasperlen unterschiedlicher Formen und Farben. In die Kleidung oder in das Leichentuch kann ein feiner Goldfaden (Goldlahn) eingewebt gewesen sein. Silberner Schmuck wie Ohrringe aber auch Gürtelschnallen oder die typisch merowingischen Beingurte, deren praktischer Charakter im Halten eines den Unterschenkel verdeckenden Tuches gesehen werden muss, sowie Ringe aus Edelmetall gehörten ebenfalls zur Ausstattung.
Insgesamt fanden sich im Leimener Merowinger-Grab ein rundes Dutzend gelochte Glasperlen, zwei Tonperlen und eine Perle aus Bernstein in unterschiedlichen Farben und Größen sowie die beiden bereits erwähnten, sehr gut erhaltenen Almadinscheibenfibeln, die es möglich machten, das Grab in die Zeit von ca. 530 bis 555 n. Chr. zu datieren. Hinzu kamen zwei sehr gut erhaltene Spinnwirtel, die benutzt wurden, um Garn zu einem Faden zu verarbeiten.

Große Aufregung löste dann ein Fund im Beckenbereich aus, kam doch ein fast 12 cm großer, reich verzierter beinerner Kamm in einem Futteral zum Vorschein, der in dieser guten Erhaltung für Nordbaden einzigartig ist. Fasst man alle bisherigen alten Funde zusammen, so lassen sich mittlerweile relativ sicher fünf merowingische Gräber in Leimen nachweisen (Funde aus den Jahren 1888, 1924, 1936, 1948 und 2006). Es handelt sich also um Reste eines größeren merowingischen Reihengräberfeldes des 6. und 7. Jh., das zu dem im Jahre 791 erstmals urkundlich genannten Ort „Leimheim“ gehört. Das Grab des Jahres 2006 ist sowohl das am besten dokumentierte, als auch hinsichtlich der Beigaben als am reichsten einzustufen - wenn auch eine teilweise Beraubung (wahrscheinlich bereits im 6. oder 7. Jahrhundert) vorliegt.
Es erhebt sich die weitere Frage: Wo war die zum Gräberfeld gehörige Siedlung? Gräber und Siedlungen dieser Zeit liegen immer deutlich getrennt. Da aber alles dafür spricht, die gesuchte Siedlung als Keimzelle des späteren Leimen zu betrachten, muss die Bebauung weiter südlich wohl im Areal der Bergbrauerei gesucht werden, denn in den Bereichen um die evangelische Kirche, die Rathausstraße, die Turmstraße und dem Graupfädel fanden sich trotz diverser Notbergungen keinerlei merowingische Spuren. Durch diesen aufregenden Fund konnte jedoch ein weiterer Mosaikstein in der frühen Besiedlung Leimens gefunden werden, ein Fenster in die Vergangenheit hat sich für einen Augenblick geöffnet.