Hauptbereich
Das Leimener Bärentor

Von Berno Müller Torturm, Gefängnis, Schicksalsort
In der vergangenen Woche hat die RNZ darüber berichtet, wie bei Kanalarbeiten in Leimens Stadtmitte die Fundamente des wohl repräsentativsten Stadttores gefunden wurden. Allein, ein Bild, wie dieses über Jahrhunderte auch als Gefängnis genutzte „Bärentor“ ausgesehen hat, fehlte bisher in der Öffentlichkeit. Doch es gibt eines. Gezeichnet hat es der an der Leimener Ortsgeschichte sehr interessierte Pfarrer Otto Halter, der von 1890 bis 1909 die katholische Gemeinde betreut hat. Unermüdlich hat er Daten und Fakten gesammelt, Urkunden gelesen, in Archiven gestöbert und – sich mit den Menschen unterhalten. Dabei stieß er auf einen Augenzeugen, der das im Oktober 1842 abgerissene, überaus stattliche Gebäude noch selbst gesehen hatte. Nach dessen Angaben hat er es, von Westen aus gesehen, zu Papier gebracht. Links neben dem Tor ist die Zollstation zu sehen, im Gebäude rechts wohnte der Gefängniswärter.
Das Bärentor, das die Leimener noch 1834, als es die Kurpfalz und damit die Zenten schon lange nicht mehr gab, als den „alten Centturm“ bezeichneten, war ursprünglich Teil der Ortsbefestigung, die sich um den fast ovalen Ort legte, und von der heute lediglich noch der „Franzosenturm“ und wenig vom Mauerwerk steht. Vor dem Bärentor stand eines der drei Wegekreuze, die Pater Antonius Sauerlender am 9. Juni 1730 geweiht hatte. Weitere Tore waren das „Obere Tor“, auch gemeines Hirten- und Krankenhaus, das an der Straße nach Gaiberg, knapp oberhalb der Rosmaringasse gestanden hatte und im Mai 1857 abgebrochen wurde. Das „Heidelberger Tor“ befand sich in der Hirschgasse (später Heidelberger Weg, heute etwa Bürgermeister-Lingg-Straße, 1829 abgerissen) und „Nußlocher Tor“ in der Nußlocher Straße beim heutigen Gasthaus ‚Zur Rose‘ und wurde 1796 abgebrochen. Etwas östlich davon gab es noch das sog. Rondell, einen runden Turm. Schaut man auf einen ebenfalls von Otto Halter gezeichneten Plan, kann man vielleicht noch den Ort des späten Mittelalters mit seinen kleinen, schmalen, ineinander verschachtelten Häusern wenigstens erahnen. Leimen, das neben Weinheim, Ladenburg und Wiesloch zu den größten Orten der Kurpfalz zählte und 1439 schon etwa 735 Einwohner besaß, erhielt seine Mauer, wie Archäologe Ludwig H. Hildebrandt feststellte, wohl im Rahmen eines bisher unerkannten, von Kurfürst Ruprecht I. (1353-1390) initiierten Bauprogramms.

Mit dem Bärentor, wie gesagt auch Malefizgefängnis der gesamten Kirchheimer Zent, modern würde man wohl Verwaltungsbezirk sagen, sind auch zwei außergewöhnliche Schicksale verbunden, die in den Kirchenbüchern der katholischen Pfarrgemeinde dokumentiert sind. Sie dürften damals für großes Aufsehen gesorgt haben. Denn am 4. September 1777 und am 10. Januar 1793 wurden zwei Bluturteile durch das Schwert vollstreckt, und das trotz starken Rückgangs der Hinrichtungen unter dem damaligen Kurfürsten Karl Theodor. Eine dieser Hinrichtungen fand sogar in Leimen statt, was keinesfalls die Regel war, denn eigentlich wurden Bluturteile seit jeher auf der alten Kirchheimer Richtstätte vollstreckt. Betroffen waren eine Kindsmörderin und einer Mörderin von Gatten und Schwiegervater. Der damalige Ortsgeistliche Pater Tranquillinus Pöppen berichtete, dass eine seit 6. Mai 1777 eingekerkerte Delinquentin aus St. Ilgen, die in Hockenheim wohnte, im Alter von 28 Jahren in Kirchheim hingerichtet wurde. 1792 war eine reiche Bürgerin aus Edingen eingekerkert, die von einem Soldaten verführt wurde und schließlich mit dessen Hilfe ihren Ehemann vergiftete. Sie wurde am 10. Januar 1793 nach ergangenem Urteil auf die Wiesen am St.-Ilgener-Weg geführt und unter geistlicher Zurüstung und dem Bekenntnis der Reue an ihrem 38. Geburtstag enthauptet.